Eine wesentliche Komponente bei der Bewegung von Sedimenten (Gesteins-Ablagerung, Schutt, Steine, Geröll, …), die sich an einem Berghang mit hohem Gefälle (>15°) ablagern und in der Folge zu Murgängen führen, ist der flüssige Anteil. Die meisten Murströmungen werden durch kurzzeitige, intensive Niederschlagsereignisse wie Schauer und Gewitter ausgelöst. Insbesondere die Intensität des Niederschlags über einen bestimmten Zeitraum oder die Niederschlagsrate ist die entscheidende Voraussetzung, unter der Bedingungen entstehen, die für die Auslösung einer Mure günstig sind: Bei hoher Niederschlagsintensität können auch in kurzer Zeit erhebliche Wassermengen fallen, die in der Lage sind, einen intensiven Oberflächenabfluss auszulösen und in der Folge das Sediment zu bewegen.
Konvektive Phänomene wie Regenschauer oder Gewitter erhöhen daher die Möglichkeit, einen Murgang auszulösen. Die Jahreszeit, in der diese Art von Niederschlag häufiger auftritt, variiert sowohl mit dem Breitengrad als auch mit der Höhe. In den Alpen erstreckt sich dieser Zeitraum im Durchschnitt von Mai bis September, während in der Wintersaison kaum konvektive Niederschläge zu beobachten ist.
In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch auch außerhalb der Sommermonate konvektive Ereignisse mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet. Dabei besteht ein echtes Risiko für Murgangereignisse in Jahreszeiten, die als anomal gelten, z.B. vom 15. bis 17. Dezember 2020, als es zu wiederholten Murgängen entlang des Rudan-Baches in Peaio di Vodo di Cadore (Provinz Belluno) kam. Diese Ereignisse werden im Wesentlichen durch lang anhaltende, für die Herbstperiode typische Niederschläge verursacht, die von Schauern und in einigen Fällen auch von erheblichem Schneefall in den mittleren bis niedrigen Höhenlagen der Einzugsgebiete begleitet werden.Schauer und Gewitter zeichnen sich durch schnelle und signifikante Änderungen der Niederschlagsintensität aus, sowohl räumlich als auch zeitlich. Schauer sind in der Regel örtlich begrenzt und von kurzer Dauer. Unter bestimmten Wetterbedingungen können sie sich jedoch über den selben Flächen regenerieren und so einen andauernden Niederschlags an der selben Stelle verursachen. Gewitter sind zudem durch eine Cumulonimubs-Wolke (hohe vertikale Erstreckung von tiefen Schichten bis zur Tropopause), Blitz und Donner, Starkregen, Windböen und möglicherweise Hagel und sogar Tornados gekennzeichnet.
Die Ausdehnung von Gewittern variiert je nach den physikalischen Eigenschaften des konvektiven Systems. Es gibt unorganisierte Gewitter oder isolierte Gewitter (z. B. Wärmegewitter), die auf einen kleinen Teil eines Gebietes wirken und durch lokale Bedingungen und die Orographie begünstigt werden. Andererseits gibt es organisierte Gewitter oder mehrzellige Gewitter, wie Cluster, Squall Line, die sich selbst regenerieren, MCS (Mesoscale Convective System), MCC (Mesoscale Convective Complex), etc. Ihre räumliche Ausdehnung kann Hunderte von Kilometern umfassen und sie entwickeln sich oft in Zusammenhang mit mit großräumigeren Wettererscheinungen wie z.B. Frontsystemen. Der Lebenszyklus eines Gewitterphänomens hängt auch von den physikalischen Eigenschaften des Systems ab: unorganisierte Gewitter haben häufig eine begrenzte durchschnittliche Lebensdauer zwischen 15 und 30 Minuten, mit einem Maximum von 1 Stunde. Organisierte Gewitter hingegen können eine Dauer haben, die von 1 Stunde bis zu 2 bis 3 Stunden variiert, wobei der Niederschlag einen anhaltenden Charakter annimmt.
Jedes einzelne Gewitter, egal ob organisiert oder unorganisiert, kann je nach räumlicher Ausdehnung zu mehr oder weniger kritischen Situationen im Gebiet führen und je nach Intensität der Niederschläge und deren Dauer mehr oder weniger schwerwiegend sein. Insbesondere ist die Intensität der Niederschläge über die Zeit der absolute Parameter, der bestimmt, ob eine ernste kritische Situation entstehen kann. Es ist daher notwendig, Gewitter nicht nur nach ihrer räumlichen Ausdehnung zu unterscheiden, sondern auch nach ihrer wichtigsten Eigenschaft in Bezug auf Murenauslösung: Niederschlagsintensitäten von mäßigem, starkem, schwer, sehr schwerem oder mit Unwetter-Charakter. Daher wird zwischen Gewittern und schweren Gewittern unterschieden. Letztere sind konvektive Phänomene, deren hohe Niederschlagsrate > 30-40mm/h es ermöglicht, in kurzer Zeit große Wassermengen auszuregnen. Dadurch werden nicht nur die Bedingungen für den Beginn, sondern auch für die Wahrscheinlichkeit einer großen Murströmung günstiger.
Wichtig ist daher nicht so sehr die Menge des Gesamtniederschlags, sondern über welchen Zeitraum er in einem Einzugsgebiet fällt, also die Niederschlagsrate. Die stündliche Niederschlagsrate gibt das Maß für die Intensität des Niederschlags an. Noch bedeutsamer sind sogar die Niederschlagsraten auf kürzeren Zeitskalen, z.B. in 5, 10 oder 30 Minuten. Aus diesem Grund werden pluviometrische Schwellenwerte definiert, die dazu dienen, einen Mindestwert der Niederschlagsmenge in einem bestimmten Zeitintervall anzugeben, ab dem mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Murenabgang eintritt. Diese Schwellenwerte werden mit Hilfe statistischer Methoden auf der Basis von Daten vergangener Ereignisse im Untersuchungsgebiet ermittelt. Aufgrund der unterschiedlichen geologischen, morphologischen und hydrologischen Bedingungen, die jeder Standort aufweist, sind die Niederschlagsschwellen charakteristisch für jedes der untersuchten Einzugsgebiete.
Niederschläge im Allgemeinen und so auch konvektive Phänomene werden zudem durch die Orografie begünstigt, die die atmosphärische Zirkulation beeinflusst. Die Gebirgsausläufer stellen eine Barriere für die Strömungen dar, die auf sie einwirken. Speziell wenn die Luftmasse einer Strömung feucht und instabil ist (zum Beispiel bei Vorhandensein einer zyklonalen Zirkulation – Tiefdruckgebiet), begünstigt dies die Bildung von Wolken und Niederschlägen an der Luv-Seite eines Gebirges. Am stärksten ist dieses Phänomen, wenn feuchte und instabile Strömungen senkrecht auf einen Gebirgsabhang einwirken (Strömungs-Orografie-Interaktion).Warme, feuchte Luft, die bereits durch die Aufheizung vom Boden her gehoben wird, kann durch die Gegebenheiten im Gebirge zu einem weiteren Aufsteigen gezwungen werden. An klaren Tagen im späten Frühling und im Sommer kann die ungestörte Sonneneinstrahlung am Vormittag und am frühen Nachmittag den Boden stark erwärmen. Dieser wiederum setzt Wärme frei und erwärmt die unterste Luftschicht, mit der er im Kontakt ist. Wenn die Temperatur in der untersten Luftschicht über bestimmten Oberflächen stärker steigt, sinkt die Dichte dieses Luftpakets und es wird leichter als die Luft in der Umgebung über anderen, kälteren Oberflächen. Schiebt sich die im Vergleich kältere Luft unter die wärmere Luft, lösen sich die wärmeren Luftpakete von der Oberfläche ab und beginnen aufzusteigen. In der Folge entsteht aus einer Serie von aufsteigenden Luftblasen Thermik, die in eine bestehende Luftströmung eingelagert und durch das Zusammenspiel mit der Orographie der Berge zu verstärktem Aufsteigen gezwungen werden kann.
Das Aufsteigen der Luftpakete setzt sich fort, so lange die aufsteigende Luft wärmer (und damit leichter) als die Umgebungsluft in gleicher Höhe ist. Die Ausbildung von Thermik wird an den Berghängen zusätzlich verstärkt, wenn die Sonne die felsigen Hänge erwärmt und vor Ort die Ablösung weiterer Warmluftblasen verursacht. Diese können sich zu großen Thermikschläuchen vereinen und eine ständige aufsteigende Luftströmung verursachen. Durch das Aufsteigen der Luftpakete in einem Thermikschlauch sinkt der Luftdruck in den Luftpaketen, sie dehnen sich aus und kühlen dadurch ab. Ab einer gewissen Temperatur, die vom Feuchtegehalt des Luftpaketes abhängig ist, kondensiert der im Luftpaket mitgeführte Wasserdampf und es bilden sich erste Kumuluswolken. Unter bestimmten meteorologischen Voraussetzungen (z.B. Vorhandensein von Kaltluft in der Höhe, wodurch die aufsteigenden Luftpakete immer leichter als die Umgebungsluft bleiben), können diese Cumuluswolken zu Cumulonimbuswolken anwachsen und Gewitterstrukturen bilden.
Die Intensität, die genaue Lokalisierung und der exakte Zeitpunkt von Gewittern und intensiven Regenschauern, die keine Blitzaktivität entwickeln, sind nicht exakt vorhersagbar. In einer meteorologischen Vorhersage können die physikalischen Voraussetzungen für die Entwicklung extremer Gewitterzellen abgeschätzt und prognostiziert werden. Eine exakte Vorhersage von Ort und Zeit der Entstehung von Gewitterzellen und der damit verbundenen Phänomene wie Starkregen, Hagel, Blitzschlag und Starkwind ist nicht möglich. Insbesondere bei der Vorhersage von starken Gewittern ist es deshalb sinnvoller, die Wahrscheinlichkeit des Phänomens über einem bestimmten geographischen Gebiet zu prognostizieren. Darunter fällt speziell das Auftreten von Wärmegewittern, das an heißen Sommertagen meist im Gebirge ausgelöst werden (aber auch im Flachland nicht ausgeschlossen) und für einige Minuten extrem starke Niederschläge (bis > 1mm/Minute) verursachen. Diese Gewitter sind zwar räumlich extrem begrenzt und unorganisiert, aber aufgrund der Heftigkeit der Niederschläge und des damit verbundenen hydrogeologischen Risikos dennoch gefährlich. Es ist daher notwendig, sich daran zu erinnern, was zuvor geschrieben wurde: Jedes einzelne Gewitter, ob organisiert oder unorganisiert, kann zu kritischen Situationen führen, die je nach räumlicher Ausdehnung mehr oder weniger großflächig und je nach Intensität des Niederschlags und seiner Dauer mehr oder weniger schwerwiegend sind. Murgänge können auch nach ergiebigen stratiformen oder gemischt stratiformen/konvektiven Niederschlägen auftreten, die über einen Zeitraum von bis zu 48 Stunden oder mehr verteilt sind und durch Pausen und unterschiedliche Phasen der Niederschlagsintensität gekennzeichnet sind. Insbesondere während der frühen Herbstsaison treten die ergiebigsten Niederschlagsereignisse gewöhnlich südlich der Alpen bei Schlechtwetterlagen in Zusammenhang mit breiten und strukturierten Tiefdruckgebieten auf, die die atmosphärische Zirkulation auf räumlichen Skalen von Tausenden von Kilometern (synoptische Skala) beeinflussen können. Diese Tiefdruckgebiete haben ein Wirkungszentrum – z.B. ein Bodendruckminimum -, auf das sich die Warm- und Kaltfront beziehen. Während des Durchgangs der Warmfront und ihres gesamten Warmsektors kommt es zu stratiformen Niederschlägen. Oft ist jedoch auch konvektiver Niederschlag in Form von Schauern durch in die Warmfrontbewölkung (Nimbostratus) eingelagerte Cumuluswolken nicht auszuschließen. Die kumulative Niederschlagsmenge kann bereits aufgrund der Kontinuität und Dauer des Niederschlags ergiebig sein, weniger aufgrund der meist schwachen bis mäßigen, selten starken, Niederschlagsintensität. Bei einem solchen Niederschlagsmuster wird der Boden allmählich mit Wasser gesättigt. Die oberste Bodenschicht wird dadurch für weiteren Niederschlag undurchlässiger und begünstigt den Oberflächenabfluss. Dieser kann in der Folge beginnen, das Sediment zu bewegen, das sich den steilen Hängen der Schluchten folgend flussabwärts bewegt. Während des folgenden Kaltfront-Durchganges bilden sich dann häufig Cumulus- und Cumulonimbuswolken und verursachen konvektive Niederschläge, die intensiv aber von kurzer Dauer sein können. Dieser weitere kurzfristige starke Niederschlag kann zur anschließenden Auslösung eines Murgangs mit größerem Ausmaß führen, da die Intensität des Niederschlags im Durchschnitt viel höher ist als die der ersten Phase.