Rio Rudan

Provinz Belluno – Italien

EINRAHMUNG DES BECKENS​

Abbildung 1 – Einzugsgebiet des Rio Rudan

Das Einzugsgebiet des Rio Rudan (dessen Name sich wahrscheinlich aus dem Cadore-Dialekt ableitet: Ru = rio und Dan = danno) erstreckt sich entlang der Südseite des Monte Antelao (3263 m ü.d.M.) orographisch links vom Bach Boite, in den er in der Nähe des Dorfes Peaio (Gemeinde Vodo di Cadore, BL) mündet. Das Einzugsgebiet gehört verwaltungstechnisch zur Gemeinde Vodo di Cadore und hat eine Fläche von ca. 3 km2 ; die durchschnittliche Höhe und Neigung beträgt 1761 m über dem Meeresspiegel bzw. 107%. Die minimale Höhe beträgt 883 m über dem Meeresspiegel in Peaio (799 m über dem Meeresspiegel beim Zusammenfluss mit dem Wildbach Boite), während die maximale Höhe 3263 m über dem Meeresspiegel den Gipfel des Antelao erreicht. Der mittlere und untere Teil des Einzugsgebietes ist durch bewaldete Hänge charakterisiert, die sich auf einer mächtigen Decke aus inkohärenten quartären Sedimenten stocken. Im mittleren und oberen Teil werden die Hänge steiler und durch die kalkig-dolomitischen Reliefs des Antelao repräsentiert. Daher ist die Form des Beckens in N-S-Richtung länglich und wird von den beiden gegenüberliegenden Hängen eingeschlossen, die vor allem im oberen Teil recht nahe beieinander liegen (südliche Bergrücken des Antelao, die parallel zueinander verlaufen) und eine Art Amphitheater bilden. Darin lagert sich das hängende Geröll des Vallon dell’Antelao ab, von von wo aus häufig die Murgänge im Bereich des Rio Rudan ausgelöst werden.

Rio Rudan, Vodo di Cadore (BL), Veneto, Italien, 28.07.2015 (Matteo Cesca - ARPAV)
Rio Rudan, Vodo di Cadore (BL), Veneto, Italien, 05.08.2015 (Matteo Cesca - ARPAV)

FALLSTUDIENBESCHREIBUNG

Im oberen Teil wird das Becken von Felswänden aus Hauptdolomit gebildet, die den Abfluss auf die felsigen Hänge des Vallon dell’Antelao zwischen 2000 und 2500 m leiten. Murgänge treten im Allgemeinen im Sommer und Frühherbst auf und werden durch intensive Sommergewitter von kurzer Dauer (10-20 Minuten) ausgelöst, die sich entlang der Felswände schnell in energiereiche Sturzbäche verwandeln. Diese können große Mengen an Sediment mobilisieren und damit die Murgänge auszulösen. Unterhalb dieser mächtigen Ursprungsgebiete der Sedimente verläuft der Kanal in einer tiefen und engen Felsschlucht bis zu einer Höhe von 1600 m. Zwischen 1600 m und 1400 m fließt der rio Rudan über tiefe quartäre Ablagerungen in einem Abschnitt abwechselnder Erosion und Deposition, die sich sukzessive eintieft. Die Dolomit- und Konglomeratmasse ruht auf Schichten des San Cassiano. Diese stammen aus der unteren karnischen Periode und bestehen aus Mergeln und Tuffen, sind stark verändert und geschichtet und definitiv undurchlässiger als die kalkhaltigen Gesteine und Konglomerate. Im Taleinschnitt des Rudan findet man die Schichten von San Cassiano auf 1400 m, und der Abfluss bis knapp über diesen Punkt ist ephemer.

Unterhalb der Schichten von San Cassiano fließt der Rudan ab 900 m auf den Schichten von Wengen (Oberes Ladin), die aus dichten Kalk-Mergel-Tuff-Schichten bestehen in einer dichten Abfolge von Sohlsprüngen und Wasserfällen in einer Schlucht, ähnlich wie im Abschnitt von San Cassiano beschrieben. Stromabwärts des Filterwehrs und des bebauten Gebiets von Peaio bildet der Wildbach Rudan keinen Schwemmkegel, sondern fließt in einem Tal, in dessen Ablagerungen sich der Bach eingetieft hat und erreicht dann den Boite-Bach im Bereich der Kalksteine und Konglomerate der Livinallongo-Formationen des Unterladin.

Es gibt zahlreiche Chroniken, die über die Schäden durch Murgangphänomene des Rio Rudan im Siedlungsbereich unterhalb des Antelao  berichten und die die bemerkenswerte Aktivität dieses Wildbaches hervorheben. Der größte Teil der historischen Informationen, über die im Folgenden berichtet wird, stammt aus dem Archiv der Gemeinde Vodo di Cadore, das freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde.

Die geschichtlichen Informationen zu den historischen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Rudan sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Sie zeigen eine Zunahme der Häufigkeit von Ereignissen von beträchtlicher Intensität in den letzten dreißig Jahren.

NDateNote
1September 1882Erhebliche Schäden zerstörten einiger Mühlen am Ufer und des Sägewerks, das sich am Zusammenfluss mit dem Wildbach Boite befand.
2September 1951Großes Verklausungsphänomen: Von der Strömung mitgeführte Bäume blieben an der Brücke der Bundesstraße hängen, wodurch eine enorme Menge an Material aufgehalten wurde. Der Schotter und die Strömung bedeckten die Fahrbahn der Brücke über einen Meter.
3September 1983Die erste Welle des Hochwassers verursachte die fast vollständige Blockierung der Brücke über die S.S. Nr. 51 und lagerte das transportierte Geschiebe im stromaufwärts gelegenen Abschnitt des Auffangbeckens ab. Das Hochwasserereignis war so stark, dass es die 1952 erbaute Betonbrücke über die Strada Regia zerstörte.
419.07.1987Die anhaltenden und starken Regenfälle der vorangegangenen Tage führten dazu, dass in kürzester Zeit enorme Schuttmengen entlang des Rudan transportiert wurden. Ungefähr 10.000 m3 Material erreichten den Zusammenfluss mit der Boite.
502.07.1994Überschwemmung und Transport von großen Felsbrocken.
607.08.1996Murgang mit Überflutung des Flussbettes bei Peaio. Nachdem der Murgang rechtsufrig ausgetreten war, zerstörte er den Abschnitt unter der Brücke des Radweges.. Die Brücke blieb an den Führungen der Verschlüsse verankert.
701.09.1998Zahlreiche und konsistente Kiesablagerungen sowie eine weit verbreitete Erosion der Ufer
805.09.1998Anhäufung von Schwemmmaterial im Bett des Wildbachs Rudan in der Ortschaft Peaio
906-07.09.1998Wiederholte Murabgänge, die in der Nähe des Dorfes Peaio erhebliche Materialanhäufungen verursachten. Der Bach überlief die Brücke der S.S. Nr. 51 und lagerte Sediment auf dem Platz des Geschäfts „Antichità“ am rechten Ufer ab. Stromaufwärts der Bailey-Brücke trat der Bach am orographisch rechts über die Ufer.
1012.09.1998Murgang, der großflächige und starke Erosionserscheinungen sowie die Destabilisierung von zwei großen Gebieten (Erdrutsche) hervorrief.
1105.08.1999Transport einer beträchtlichen Menge Schutt, der sich in der Nähe der Brücke auf der S.S. Nr. 51 abgelagert hat, wodurch die Gefahr des Überlaufens entstand
1220.09.1999Murgang von beträchtlicher Größe mit Ausuferung an vielen Stellen. Die Ablagerung gefährdete die Funktionsfähigkeit der Hauptstraße, eine beträchtlichen Menge an Schutt wurde auf dem Platz neben dem Geschäft „Antique“ auf der orographisch rechten Seite des Flusses abgelagert. Weiter flussabwärts wurde das Wehr stromabwärts der Bailey-Brücke vollständig weggespült.
1304.08.2015Ereignis mit Gesamtvolumen von ca. 25000 m3, Gesamtdauer 5-7 Minuten. Beschädigung des angrenzenden Dammes, der komplett mit Material gefüllt wurde. Komplette Zerstörung der Fahrradbrücke und erhebliche Unterspülung der Ufermauern flussabwärts davon.
1406.08.2018Murgang ausgelöst durch ein lokales Gewitter im Vallon dell’Antelao. Vollständige Füllung des Speicherbeckens (entnommenes Volumen 10-12000 m3). Schwere Schäden an einer Baustelle im Flussbett in der Nähe der Boite.
1529.08.2020Murgang, der durch eine Kombination aus starken Regenfällen und einem intensiven Gewitter verursacht wurde. Vollständige Füllung des Speicherbeckens (entnommenes Volumen entspricht ca. 17000 m3).
1615-16.12.2020Wiederholte Schlammlawinen, verursacht durch eine großflächige Rutschung am linken Ufer in einer Höhe von ca. 1150 m, der zu einer Verklausung des Rudan-Baches führte. Komplette Durchnässung des Bodens im Rutschungsgebiett, hervorgerufen durch die starken Regenfälle, die 10 Tage zuvor fielen, und durch die Schneeschmelze. Eine beträchtliche Anzahl von Bäumen wurde flussabwärts transportiert und befinden sich immer noch auf dem Erdrutsch und entlang des Gerinnes.

Abbildung 3 – Am 04.08.2015 wurde durch ein Murereignis der Damm (Foto ARPAV vom 05.08.2015) sowie am 15-16.12.2020 das Rückhaltebecken beschädigt (Foto ARPAV vom 16.12.2020)

Die kritische Infrastruktur liegt zwischen 950 m ü.d.M. und dem Verschlussabschnitt, wo die Brücke der Staatsstraße Nr. 51 di Alemagna, eine Brücke des Radwegs Pieve di Cadore-Cortina d’Ampezzo und ein unzureichend dimensionierter Abflusskanal kritische Abschnitte für die Ableitung von Murgängen mit der Gefahr des Ausuferns und damit verbunden der Gefährdung eines Teils des bebauten Gebiets von Peaio darstellen.

Abbildung 4 – Abschnitt des rio Rudan, der das Dorf Peaio durchquert: links direkt flussabwärts der Brücke der S.S. 51 d’Alemagna; rechts in der Nähe der Brücke des Radwegs, der durch den Erdrutsch vom 04.08.2015 weggerissen wurde (Foto ARPAV vom 05.08.2015)

Auf einer Höhe von 1580 m fließt der Kanal an einer Stelle möglicher Ausuferung in einer Linkskurve; diese Stelle wurde mit einem Eingriff korrigiert, indem am Ausgang der Schlucht mit großen Felsblöcken gesichert wurde, um Avulsionserscheinungen (Austritt aus dem Kanal) zu vermeiden.

Im Jahr 2011 baute die Region Venetien ein Sperrbauwerk mit festen vertikalen Filter im Abstand von 1,3 m und einer Breite von 1,3 m, mit einer doppelten trapezförmigen Abflussprofil von mindestens 7,2 m Höhe und 11,1 m Breite. Die Krone ist 19,1 m breit und 11,3 m hoch. Das Auffangbecken stromaufwärts hat ein geschätztes Fassungsvermögen von 15000 m3. Ziel der Arbeiten ist es, die Abflussspitze zu kappen und den Abfluss in einen hyperkonzentrierten oder basalen Abflussprozess umzuwandeln, sodass er unter der Brücke der Alemagna-Straße hindurchfließen kann, ohne sich im Kanal abzulagern.

Verschiedene Arbeiten zur Reparatur und Neugestaltung des Kanals stromabwärts des Wehrs (Pflasterung und Konsolidierung der Seitenwände) wurden im Laufe der Jahre durchgeführt und sind noch im Gange.

Abbildung 5 – Das Sperrbauwerk von flussaufwärts gesehen (links) und der Abschnitt der Rinne zwischen dem Wellenbrecher und der Brücke der S.S. 51 d’Alemagna (Foto ARPAV)

Im Jahr 2019 hat die Region Venetien, basierend auf einem Projekt der ARPAV, den ersten Teil des Überwachungs- und Alarmsystems des Murgangs des rio Rudan realisiert und getestet. Das System besteht aus zwei verschiedenen Phasen: 1) Monitoring, 2) Weiterleitung des Alarmsignals an interessierte Benutzer. 

Das Monitoring wurde so aufgebaut, dass eine Reihe von Sensoren für die Überwachung der zwei verschiedenen Phasen des Murganges überwachen

  • Überwachung von Starkniederschlägen, die das Murenphänomen auslösen können
  • Überwachung des ausgelösten Murgangs.

Um die Möglichkeit von Fehlalarmen zu minimieren wurde ein Alarmsystem mit redundaten Sensoren an 2 Stationen vorgesehen, die sich auf unterschiedlichen Höhen entlang des Schuttstromkanals befinden:

  • Die Station „Rudan Antelao“: befindet sich auf einer Höhe von ca. 2140 m und besteht aus 2 Regenmessern und einer Full-HD Tag- und Nacht-Videokamera.
  • Station „Rudan Briglia“: befindet sich in der Nähe des Dammes auf einer Höhe von 905 m ü. M. sowie in der Siedlung Peaio und entlang der Kommunikationsinfrastruktur. Sie besteht aus 7 Stolperdrähten entlang des Baches und einer Full-HD Tag- und Nacht-Videokamera. Zu dieser Station gehören auch eine Beleuchtungsanlage mit 3 LED-Scheinwerfern, Datenerfassungssoftware, Alarmsignalverarbeitung und Systemmanagement sowie Ampeln, Hinweisschilder und das Verbreitungssystem des Alarmsignals (Sirenen, Blinklichter und ein massives Meldedienstsystem).

Bereits in der Planungsphase wurden Schwellwerte für Voralarm aufgrund der Regenintensität und Pegelschwellwerte in Verbindung mit der Installationshöhe der Stolperdrähte, zwischen 1 und 3 m, festgelegt. Die Systemsteuerung unterscheidet zwischen drei Szenarien, abhängig von der vollen Funktionalität der verschiedenen Komponenten des Systems.

Die Implementierung der Systemkomponenten zur Alarmierung und Sperrung der S.S. 51 di Alemagna muss noch von der ANAS, dem Betreiber der Straßeninfrastruktur nach Cortina d’Ampezzo, installiert und getestet werden.

Abbildung 6 – Informationstafel des Überwachungs- und Alarmsystems in der Siedlung Peaio und entlang der Kommunikationswege (links) und Detail einer Ampel (links – Foto von ARPAV)

Im Rahmen des Projekts installierte ARPAV im Sommer 2021 3 Messstationen entlang des Rio Rudan:

  • Station 1: auf ungefähr 1450 m, auf der Höhe wo der rio Rudan den CAI-Pfad Nr. 230 kreuzt, ausgestattet mit 1 Regenmesser und 1 Videokamera mit Nachtsicht;
  • Station 2: auf ca. 905 m in der Nähe des Sperrbauwerks stromaufwärts von Peaio, ausgestattet mit 1 Regenmesser und 1 Videokamera mit Nachtsicht;
  • Station 3: in einer Höhe von ca. 890 m auf der Brücke der Staatsstraße Nr. 51 d’Alemagna, ausgestattet mit 2 Videokameras mit Nachtsicht.

Diese Sensoren sollen a) die an der Nutzung und Überwachung des rio Rudan beteiligten öffentlichen Stellen weiter unterstützen und b) Daten über die Dynamik der Strömungen sammeln, die für die Entwicklung und Prüfung des INADEF-Alarmsystems von Bedeutung sind.

Link zu Rio Rudan experimentelles Überwachungssystem

Im Rahmen des Projekts beabsichtigt die ARPAV, im Frühjahr 2021 3 Messstationen entlang des rio Rudan zu installieren:

      • Station 1: auf ungefähr 1450 m, auf der Höhe wo der rio Rudan den CAI-Pfad Nr. 230 kreuzt, ausgestattet mit 1 Regenmesser und 1 Videokamera mit Nachtsicht;
      • Station 2: auf ca. 905 m in der Nähe des Sperrbauwerks stromaufwärts von Peaio, ausgestattet mit 1 Regenmesser und 1 Videokamera mit Nachtsicht;
      • Station 3: in einer Höhe von ca. 890 m auf der Brücke der Staatsstraße Nr. 51 d’Alemagna, ausgestattet mit 2 Videokameras mit Nachtsicht.

Diese Sensoren sollen a) die an der Nutzung und Überwachung des rio Rudan beteiligten öffentlichen Stellen weiter unterstützen und b) Daten über die Dynamik der Strömungen sammeln, die für die Entwicklung und Prüfung des INADEF-Alarmsystems von Bedeutung sind.

Seit Mai 2020 gibt es einen eigenen Katastrophenschutzplan für das Dorf Peaio, das mögliche Murgänge entlang des rio Rudan betrifft.

Das Verfahren umfasst die Verwendung von Wettervorhersagen, aktuelle Messungen von Wetterdaten (Niederschlag und Radar), Warnmeldungen des des regionalen Katastrophenschutzes, des Überwachungs- und Warnsystems und der Überwachung vor Ort.

Die Leitung der Katastrophenschutzmaßnahmen und die Auslösung des Alarmsignals obliegt dem Bürgermeister als örtliche Katastrophenschutzbehörde.

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Das Projekt INADEF

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Tirol – Österreich

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