PROJEKT EINFÜHRUNG
Murgänge stellen seit jeher eine Gefahr für Gebirgsregionen und mit ihren kleinen steilen Einzugsgebieten dar, in denen sie sich entwickeln. Sie bestehen aus einem Gemisch von Wasser und Sedimenten sehr unterschiedlicher Größe, und bewegen sich entlang in den Berghängen eingeschnittenen manchmal über große Entfernungen.
Murgänge treten meist im Sommer und Frühherbst auf und werden durch Starkniederschläge kurzer Dauer (10-20 Minuten) ausgelöst; Murgänge sind impulsiv und verursachen massive Schäden an Gebäuden, Blockierung des Verkehrsflusses und Verlust von Menschenleben. Ihre zerstörerische Kraft aufgrund der hohen Aufprallkraft, die sie ausüben, resultieren zusammen mit der Präsenz und Verletzlichkeit von Objekten in das hydrogeologische Risiko. Der Klimawandel erhöht dieses Risiko für die Menschen und ihre Siedlungen durch die Zunahme der Häufigkeit von Murenabgängen aufgrund intensiverer Regenereignisse, die diese verursachen. Darüber hinaus macht die Ausweitung der sozioökonomischen Aktivitäten das Gebiet und die Gesellschaft selbst noch anfälliger, da sie einem größeren Risiko ausgesetzt sind.
Insbesondere seit 2009 wird an verschiedenen Orten im Boite-Tal (Belluno) eine Zunahme von Murgängen verzeichnet, die zu Schäden und Opfern führen. Ähnlich die Situation im Gröbentalbach (Tirol), wo eine in den letzten Jahren zunehmende Murgangaktivität zu beobachten ist, die Infrastruktureinrichtungen gefährdet. Das außergewöhnliche Wetterereignis vom Oktober 2018 (Sturm VAIA – mit 300-700 mm Niederschlag und Sturmböen), das große Teile des Interreg-Gebiets Italien-Österreich, Nord-Venetien, Osttirol und Südostkärnten betraf, führte zu zahlreichen Murgangereignissen. Die große Anzahl potenziell bedrohter Gebiete, die mangelnde Flexibilität und die hohen Kosten baulicher Schutzmaßnahmen machen Frühwarnsysteme zu einer attraktiven Alternative, um das Risiko von Murgangereignissen zu mindern.
Aims
Derzeitige, sensorbasierte Frühwarnsysteme, die den Durchgang des Murgangs erkennen, ermöglichen nur kurze Vorwarnzeiten, da die Murganggeschwindigkeit bis zu 10 m/s erreichen kann. Diese Zeitspanne reicht aus, um eine Straße zu sperren, nicht aber um Menschen zu evakuieren, insbesondere nachts. Das Ziel des Projekts ist es, ein innovatives Frühwarnsystem für Murgänge auf der Basis von Nowcasting und Phänomenologie zu entwickeln, das darauf abzielt, Murgangereignisse mit länger vorab zu erkennen, indem Nowcasting- (1-3 Stunden) mit hydrologischen- und Trigger-Modellen gekoppelt werden. Auf Basis des prognostizierten Niederschlages als Output des hochauflösenden, mathematisch-physikalischen Modells INCA, wird durch das hydrologische Modell ZEMOKOST durch Oberflächenabfluss ermittelt. Das Auslöse- und Ausbreitungsmodell schätzt die entsprechende Menge an mobilisierbarem Geschiebe: Überschreitet diese Menge einen kritischen Wert oder einen Schwellenwert, wird das Frühwarnsystem aktiviert.
INCA zielt darauf ab, einen EWS-Prototyp das hydrogeologische Phänomen vorherzusagen, bevor es auftritt, und somit den Alarm in angemessener Zeit zu auszulösen, um Maßnahmen zu ergreifen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit durchzuführen.
AKTIVITÄTEN
Die Projektativitäten sind in fünf Arbeitspakete unterteilt (WP):
Die Projektaktivität, koordiniert durch den Lead Partner Universität Udine (UNIUD), umfasst das optimale Management, die Kontrolle und Berichterstattung der Projektaktivitäten und –kosten. Weitere Aufgaben sind die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Partnerschaftsabkommens und des EFRE-Finanzierungsabkommens (Fonds Europäische Behörde für regionale Entwicklung), die zwischen dem Lead Partner und der Verwaltungsbehörde (diese vertreten durch das Amt für europäische Integration der Autonomen Provinz Bozen) unterzeichnet wurden, sowie des Kooperationsprogramms Interreg VA Italien-Österreich. Der Lead Partner übernimmt die gesamte administrative und finanzielle Verantwortung für die Umsetzung des Projekts, koordiniert die Partner und arbeitet mit ihnen bei der Überwachung und Überprüfung des Fortschritts der geplanten Aktivitäten und Ausgaben zusammen. Darüber hinaus umfasst dieTätigkeit das effektive Management der Beziehungen zwischen den verschiedenen Partnern und mit den Programmbehörden und die Initiierung und Betreuung von Kommunikation und Datenaustausches zwischen den Begünstigten, sowie die Vorgänge, die für die rechtzeitige Projektberichterstattung der Ausgaben an die Kontrolleure der ersten Ebene (FLC – First Level Control) und an die Verwaltungsbehörde erforderlich sind. Der Leadpartner ersucht das Programm um die Zahlung der fälligen Beiträge auf der Grundlage der angefallenen und validierten Kosten.
ARPAV ist der Leiter der strategischen Aktivitäten, die die Verbreitung der Projektziele und -ergebnisse betrifft. Das Projekt richtet sich an zwei verschiedene Arten von Zielgruppen:
- Experten für die Abwehr von Gefahren durch Muren, denen die Projektaktivitäten vorgestellt und das vorgeschlagene Alarmsystem, die Vorhersage- und Warnkriterien sowie die Dynamik von Murgängen präsentiert werden;
- Interessenvertreter, in erster Linie Gemeindeverwaltungen und Bürger, denen die Vorhersage- und Warnkriterien und die Dynamik von Murgängen vorgestellt werden.
Während der Treffen wird auch die Projekt-Website mit ihrer Struktur und den erwarteten Inhalten vorgestellt.
Am Ende des Projekts werden Abschlusstreffen mit der lokalen Bevölkerung, Interessenten sowie mit den für Schutzmaßnahmen verantwortlichen Technikern abgehalten, um die Ergebnisse des Projekts zu zeigen und die behandelten Themen zu diskutieren. Die Teilnahme an den Treffen mit den Technikern, die für Schutzmaßnahmen im Projektgebiet verantwortlich sind, wird auf andere Regionen der Alpen ausgeweitet. Die externen Treffen für die Bevölkerung werden durch Aushänge und Flugblätter bekannt gemacht, die in den von Muren bedrohten Siedlungen und in den benachbarten Gebieten verteilt werden, während die internen Treffen für die verantwortlichen Techniker durch offizielle Einladungen an die verantwortlichen im gesamten Gebiets erfolgen.
In dieser Projektaktivität, deren Leiter UNIUD ist, werden die mit verschiedenen Modellen gewonnenen Informationen in eine webGIS-Plattform integriert, um eine Vorhersage des Ausmaßes (Volumens) von Murgängen zu erhalten. Es wird die webGIS-Anwendung so entwickelt, dass sie die von INCA generierten Niederschlagsprognosedaten importiert und dann ZEMOKOST und das Auslöse- und Ausbreitungsmodell von Murgängen ansteuert. Die verschiedenen Modelle müssen hinsichtlich des Formats harmonisiert werden, damit die Ergebnisse des einen Modells die Eingangsdaten des nächsten sein können. Die Niederschlagsprognose ist der Input für das Niederschlags-Abfluss-Modells. Die Ergebnisse aus der Modellierung des hydrologischen Modells wiederum sind die Inputdaten des Auslöse- und Ausbreitungsmodells für Murgänge.
Eine grundlegende Aufgabe im Projekt – koordiniert von der Universität Padua (UNIPD), die über eine große und lange Felderfahrung verfügt – ist die Überwachung von Murgängen und die Abschätzung des Volumens von Sedimenten, um notwendige Daten zur Prüfung des entwickelten Alarmsystems zu generieren. Das Einzugsgebiet des Moscardo-Wildbaches (Friaul), Rovina di Cancia und rio Rudan (Venetien), der Bettelwurfmure und des Gröbentalbaches, die häufig von Murgangphänomenen betroffen sind, wurden für die Beobachtungen im Feld ausgewählt. Es werden in erster Linie die Niederschlagsmenge und der Niederschlagsintensität (oder Niederschlagsrate) mit Ombrographen in einem definierten Zeitintervall gemessen, die Murgänge auslösen können. Weiters gibt es teilweise Pegelmessungen und Sensoren wie z.B. Stolperdrähte, die es erlauben, den Durchgang eines Murgangs zu erkennen. Geophone haben den Vorteil, dass sie nicht in Kontakt mit dem Murmaterial kommen, sie müssen aber richtig kalibriert werden. Außerdem sind Videokameras im Auslösebereich und an strategischen Punkten entlang des Murkanals platziert, um die Dynamik beobachten zu können. Die Überwachungsaktivitäten werden durch geologische, topografische, morphologische, sedimentologische und Landnutzungserhebungen ergänzt, die für die Niederschlags-Abfluss- und Auslösemodellen erforderlich sind. Zu Beginn und nach jedem Murereignis erfolgen topographische Aufnahmen, um das Volumen des mobilisierten und transportierten Sediments zu bestimmen. Daten zu historischen Ereignissen von Murgängen (Niederschlag und Volumen des transportierten Sediments), die in den Einzugsgebieten aufgetreten sind, werden zusammengestellt.
Diese Aktivität, dessen Leiter das BFW (Bundesforschungszentrum für Wald) ist, umfasst die Testung der webGIS-Anwendung (bzw. des neuen Frühwarnsystems) in allen Testgebieten, wobei sowohl historische Dokumentation als auch Daten aus der Überwachung von Murereignissen während der Projektlaufzeit, verwendet werden. Es wird eine Bewertungsmatrix (Alarm/Ereignis) für alle beobachteten Ereignisse erstellt. Darüber hinaus werden für jedes Murgangereignis, das während des Projektes auftrat, und soweit möglich auch für dokumentierte, historische Ereignisse, der Zeitpunkt, die beobachteten Abflüsse vor der Entstehung der Murgänge und die transportierte Sedimentmenge mit den Ergebnissen der einzelnen Modell-Module verglichen. Basierend auf diesen Untersuchungen wird die Effizienz des Gesamtsystems bewertet, und eine Optimierung angestrebt. Die Schnittstelle und der Datentransfer zwischen dem externen Server, auf dem das Nowcast-Modell und der webGIS-Anwendung, sowie die Implementierung der Niederschlags-Abflussmodelles- und des Auslösemodelles werden anhand der Transferzeiten der Daten und der Berechnung bewertet. Die Ergebnisse der Kurzzeit-Niederschlagsprognose (1, 2 und 3 h) werden überprüft, um einen optimalen Warnzeitpunkt zu bestimmen, der die Anzahl der Fehlalarme minimiert und gleichzeitig möglichst lange vor dem Ereignis liegt, da längere Vorwarnzeiten hilfreich für das Ereignismanagement sind. Die Ergebnisse der Anwendung werden durch den Vergleich mit einem bestehenden Warnsystemen der ZAMG, das auf einem statistischen Ansatz basiert verglichen. Zu guter Letzt wird die Möglichkeit des operativen Einsatzes des entwickelten Prototyps mit potenziellen Anwendern diskutiert um ihn in einem iterativen Prozess diskutiert um ihn deren Anforderungen anzupassen.